Donnerstag, 6. März 2014

Rede zum 05. März

Am 5. März 1945 wurde Chemnitz von schweren Bomberangriffen getroffen. Nazis nutzen diesen Tag gerne, um an die "armen unschuldigen Deutschen, die dabei starben" zu erinnern. In dieser Argumentation sind die Täter und Opfer Rollen klar verteilt. Böse Alliierte, arme Deutsche. 

Dieser Darstellung und Vereinnahmung von Geschichte haben sich auch dieses Jahr wieder Menschen in den Weg gestellt. Vielleicht können wir nicht verhindern, dass manche Menschen das glauben wollen, was sie da erzählen. Aber wir müssen nicht tatenlos zusehen, wie sie durch unsere Straßen ziehen und diese Lügen verbreiten. Mein Dank gilt deswegen vor allem den Teilnehmern der Blockade, die, wie schon im letzten Jahr, den Nazis einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. 

Für alle, die es nicht hören konnten oder gerne nachlesen wollen ist hier ein kleiner Redebeitrag, den ich auf der verdi Demo halten durfte:

"Es gibt eine neue Kultur des Erinnerns. Da werden alte Geschichten von unserer Stadt ausgegraben und alte Bilder. Diese Bilder zeigen Reichtum, große Firmen und schöne Fassaden. Kein Wunder: Im Familienalbum sind ja auch nur die Momente, an die wir uns erinnern wollen. Wer hält schon den Streit, die Tränen und Niederlagen für die Nachwelt fest?

Ja, mit der Erinnerung ist das so eine Sache. Über all den Fotos von schönen Momenten neigt man dazu sehr versöhnlich zurück zu blicken. 'Es war nicht alles schlecht, damals.'
Dass nicht alles gut war, bleibt dabei meist unausgesprochen. Aber nur mit den Bildern, die wir gerne verdrängen, können wir die ganze Geschichte erzählen.

Wer an diesem 5. März das Bild unserer zerstörten Stadt vor sich her trägt, der soll auch die anderen Bilder zeigen.
Die Bilder von Panzermotoren aus der Produktion der Auto Union.
Die Bilder von den Hartmann-Loks mit der Aufschrift 'Räder rollen für den Sieg.'
Die Bilder der brennenden Chemnitzer Synagoge.
Die Bilder der Juden und anderer Minderheiten, die im Innenhof der TU Chemnitz für die Deportation zusammen getrieben wurden.
Das sind zwei Seiten der selben Medaille.

Nein, diese Geschichte eignet sich nicht für das Fotoalbum, das wir mit Stolz bei der Familienfeier betrachten. Aber wenn wir wirklich eine neue Kultur der Erinnerung brauchen, dann ist es eine mit diesem Anspruch: Dass wir aus unseren Fehlern und Problemen von gestern heute und morgen noch lernen anstatt sie auszublenden.

Ich möchte an noch ein scheinbar vergessenes Bild erinnern. Es ist das Bild, wie DDR Bürgerinnen und Bürger vor 25 Jahren vor der westdeutschen Botschaft in Prag standen und darum gefleht haben, dass man sie aufnimmt. Vielleicht erinnern wir uns einmal daran, wenn wir wieder die Debatten um Asyl in Chemnitz führen."

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