Sonntag, 16. Februar 2014

Eine neue Gesprächskultur

Oft ist es so: man lernt Dinge erst so richtig zu schätzen, wenn man sie verliert. Ein bisschen so war es in meiner Wahrnehmung auch mit dem Chemnitztalviadukt parallel der Reichsstraße. Es war halt einfach so da - schon seit 1901. Seitdem die DB Netz AG ihre Pläne für den Abriss und einen Neubau veröffentlicht hat machen sich wieder Menschen für die Brücke stark.

Die Informationsveranstaltung am 14. Februar in der gut gefüllten Aula der Annenschule war deswegen denkbar hitzig, die Offiziellen auf dem Podium in Rechtfertigungsdruck. Das Schauspiel hat Symbolwert.
Ich mag das Chemnitztalviadukt. Die Stahlnieten Konstruktion zeugt heute noch von der Zeit, in der Chemnitz als "sächsisches Manchester" einen europäischen Ruf hatte. Eine Zeit, in der Industriearchitektur noch repräsentativ sein sollte. Eine Brücke also, die Geschichte hat und von Ingenieurskunst zeugt. Deswegen verstehe ich den Widerstand gegen den Abriss.

Ich möchte die Infos zum Viadukt, den Neubauplänen und dem Verlauf des Abends hier nicht im Detail darstellen. Die Hintergründe und die überraschende Wendung des Abends sind beispielsweise in der Freien Presse beschrieben. Mich interessiert vor allem, was wir langfristig lernen können.

Was alle in der Annenschule hören wollten war, dass sich die Bahn auf ein Gedankenexperiment einlässt. Unter welchen Umständen könnte man die Brücke denn erhalten? Ich glaube nicht, dass die Chemnitzerinnen und Chemnitzer sich guten Argumenten verschlossen hätten, aber sie wollten ernst genommen werden. Es reichte ihnen eben nicht mehr, nur informiert zu werden. Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern gefragt werden. 

An dieser Gesprächskultur müssen wir arbeiten. Das gilt aus meiner Sicht für beide Seiten. Natürlich gibt es bereits rechtliche Widerspruchsmöglichkeiten, die wir jetzt schon nutzen können, wenn uns die Pläne von "denen da oben" nicht passen. Aber ein Planfeststellungsverfahren ist keine Bürgerbeteiligung und kann keinen Respekt vor der Meinung und dem Wissen der Bürgerinnen und Bürger ausdrücken. Das weiß die Stadt, aber die Bahn muss es wohl noch lernen. Andererseits wünsche ich mir auch manchmal, dass die bereits jetzt schon Aktiven verbal abrüsten. Es ist einem guten und wichtigen Anliegen nicht dienlich, wenn man die Adressaten ständig ins lächerliche zieht. Ein bisschen konnten einem die Podiumsmitglieder schon leid tun. 

Einen zweiten Gedanken will ich bei meiner Wahl gerne mit in den Stadtrat nehmen. Wenn wir nicht wollen, dass Chemnitzer Industriearchitektur verschwindet, dann wird es nicht mehr ausreichen, sich gegen den Abriss zu stellen. Wir müssen die verschiedenen privaten Besitzer mit der Stadt zusammen bringen, um gemeinsam Initiative zu ergreifen und neue Nutzungsmöglichkeiten zu finden. Auch das ist eine neue Gesprächskultur.   


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